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ABC Umformtechnik: „Autodidaktisches Lernen ist wichtig“

Sven Nieper

Sven Nieper, Geschäftsführer bei ABC Umformtechnik (Foto: Moll / MAV).

Arbeitgeberattraktivität, Agilität und Wissensmanagement sind drei zentrale Themen, die Sven Nieper derzeit umtreiben. Er ist Geschäftsführer bei ABC Umformtechnik in Gevelsberg und gab bei der Auftaktveranstaltung für ein neues Transformationsnetzwerk der Automobilzulieferindustrie, zu welcher der MAV eingeladen hatte, Einblicke in aktuelle Herausforderungen seines Unternehmens.

ABC Umformtechnik ist nach eigenen Angaben ein Spezialist für kundenspezifische Radbefestigungssysteme und Schraubverbindungslösungen in der Automobilindustrie. Mit rund 300 Mitarbeitenden entwickelt und produziert das Unternehmen Systeme zur Radbefestigung und Lösungen für Schraubverbindungen für weltweit führende Markenhersteller in der Automobilindustrie und ihre Systemlieferanten.

Hochwertige Ausbildung gegen den Fachkräftemangel

Der aktuelle Fachkräftemangel schlägt natürlich auch bei ABC Umformtechnik zu. Nicht nur, dass sich die Altersstruktur auf dem Arbeitsmarkt stark verändert. „Es gibt auch einen Hang zu Work-Life-Balance und ‚sauberen‘ Berufen, der zu unseren Arbeitsbedingungen nicht unbedingt passt“, weiß Sven Nieper und fügt hinzu: „Schichtarbeit will auch kaum noch jemand machen.“

Die Gewinnung von Auszubildenden und Arbeitskräften wird also schwieriger. Was kann man dagegen tun? Modernere Arbeitsformen, wie Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Gruppenarbeit und unterstützende Arbeitssysteme, sollen Kandidaten überzeugen. Man nimmt auch Randgruppen des Arbeitsmarktes, ältere Bewerber und ausländische Arbeitskräfte verstärkt ins Visier. Allerdings sei ohne das B1- oder B2-Level in deutscher Sprache nichts zu machen, unterstreicht Nieper. Anweisungen müssten lückenlos verstanden werden. „Der Personaleinsatz ist sonst einfach zu gefährlich.“

ABC Umformtechnik finanziert eine eigene Lehrwerkstatt und setzt auf die Hochwertigkeit der Ausbildung. Im Rahmen der Digitalisierung werden Azubis zukünftig Tablets zur Verfügung gestellt. Schon jetzt werden Berichtshefte, Versetzungspläne, Bewertungsbögen und Urlaubsanträge digital erfasst.

Mitarbeiter zu binden bedeutet heute auch, für ein überzeugendes „Wir-Gefühl“ im Unternehmen zu sorgen – eine Daueraufgabe. „Da muss man kontinuierlich dranbleiben“, betont Nieper. Genauso wie an der Weiterentwicklung des gesamten Unternehmens. Visionäres Denken, Offenheit und Innovationsstärke seien besonders wichtig, um Teams aus unterschiedlichen Generationen und mit vielfältigen kulturellen Hintergründen zusammenzuführen. „Die Wettbewerbsfähigkeit dieses Unternehmens spiegelt sich in der schnellen Anpassungsfähigkeit an neue Situationen wider – und natürlich in Ihrem Führungsverhalten“, unterstreicht Sven Nieper. Bei ABC Umformtechnik müsse man lernen, die notwendigen Veränderungsprozesse anzustoßen. Dies bedeute: neue Märkte, neue Führungsformen und veränderte Rahmenbedingungen für Ausbildung.

Veränderter Wissenserwerb

Auch die Art des Wissenserwerbs in einem Unternehmen hat sich mit der Digitalisierung grundlegend verändert. Viele Auszubildende und Mitarbeiter an einem Ort zusammen zu holen, um sie dann zu „beschulen“ – das war gestern. „Autodidaktischer Wissenserwerb und zeitunabhängiges Lernen sind heute wichtig“, sagt Nieper.

Ein sogenanntes „ABC-Produktionssystem“ soll die Mitarbeiter bei der Umsetzung täglicher Aufgaben unterstützen: Abrufbare Lernvideos setzen Standards für Arbeitsfolgen und geben Hinweise für Benutzer, die dazu führen sollen, gleichartige Fehler zu vermeiden. Nieper: „Das Unternehmen ist gefordert, Lerninhalte zu bestimmen, diese in den Unternehmensalltag zu integrieren und individuell aufzubereiten. Die entscheidende Frage ist: Was wird im Betrieb wirklich gebraucht.“ Die Qualifizierung der Mitarbeiter sei ein kontinuierlicher Prozess, der eng mit dem zukünftigen Unternehmenserfolg verbunden sei. „Dieser Weg sieht das Unternehmen als ‚lernende Organisation‘“, erklärt der Geschäftsführer. Auch das Onboarding neuer Mitarbeiter solle zukünftig mit möglichst kurzen Einarbeitungszeiten möglich sein.

Herausfordernde Rahmenbedingungen

Das alles sind wichtige Herausforderungen, denen sich ein Automobilzulieferer im Jahr 2023 stellen muss. Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen schwieriger. Kunden beharren bei ihren Lieferanten auf Nachhaltigkeit – auch wenn eine nachhaltige Produktion für eine Härterei beispielsweise gar nicht realistisch ist. „Wir kaufen schon heute grünen Strom ein, werden zukünftig aber wohl auch CO2-Zertifikate kaufen müssen“, so Nieper. Mit allen finanziellen Belastungen, die damit verbunden sind.

ABC hat auch herausfordernde Monate hinter sich. Vor Beginn des Ukraine-Kriegs wurde der Energieversorger des Unternehmens insolvent. Von heute auf morgen musste man sich auf dem Spot-Markt versorgen. Die Energiekosten verdreifachten sich. „Wenn es uns nicht gelungen wäre, auch die Preise dementsprechend partnerschaftlich bei unseren Kunden zu erhöhen, wäre das das Ende gewesen“, weiß Nieper.

„Deutschland hat den Verbrennervorsprung aus der Hand gegeben“

Nun aber richtet sich der Blick nach vorne. „Das Thema Mobilitätswende betrifft uns insofern nicht, als wir keine Verbrennerschrauben produzieren“, erklärt der Geschäftsführer. Nach dem Ende von Halbleiterkrise und Krieg erwartet er einen Boom beim Autoabsatz. Einen schnellen Umstieg auf vollständige Elektromobilität und eine rasche Energiewende sieht er noch nicht. „Das Stromnetz in Deutschland ist dafür gar nicht geeignet.“

Die wirtschaftliche Perspektive bei ABC ist eindeutig international. Inzwischen ist man in chinesischer Hand – und mit dem neuen Gesellschafter sehr zufrieden. Auf den Automarkt in Deutschland und dessen Produkte allein verlässt sich Nieper schon lange nicht mehr. Sein enttäuschtes Fazit: „Deutschland hat den Erfahrungsvorsprung aus der Verbrennertechnologie aus der Hand gegeben.“

Die aktuellen Spannungen zwischen China und den USA beobachtet er natürlich besorgt: „Der Ukraine-Krieg befeuert das noch“, so Nieper, der sich eine Beruhigung der Weltlage wünscht. „Langfristige Planbarkeit ist gerade unmöglich.“