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LÜLING: „Es läuft nicht mehr rund!“

Christian von der Crone (Foto: IW Medien / Roth)

Christian von der Crone ist seit 2010 Geschäftsführer der FR. u. H. LÜLING GmbH & Co. KG mit Standorten in Altena und Iserlohn. Das Unternehmen produziert gezogene Kaltstauchdrähte, vor allem für die Automobilzulieferindustrie. Energie ist zurzeit ein schwieriges Thema bei LÜLING. Wie soll man zukünftig CO2-freundlich produzieren? Warum gehört ein Betrieb mit 140 Mitarbeitern nach dem Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise plötzlich nicht mehr zum staatlich geförderten Mittelstand? Fragen, die den erfahrenen Geschäftsführer von der Crone zunehmend nachdenklich zurücklassen.

Herr von der Crone, welche Herausforderung bewegt Sie gerade bei LÜLING besonders?

Ganz klar: das Thema des CO2-Fußabdrucks. Schon heute fragen viele Kunden danach. In Zukunft wird er eindeutig vergaberelevant sein. BMW hat das bereits angekündigt. Bei LÜLING produzieren wir Draht unter anderem mithilfe von zwölf so genannten Haubenglühanlagen. Wir verbrauchen zirka 35 Millionen Kilowattstunden Energie alleine in Form von Erdgas im Jahr. Theoretisch könnten wir bei der Beheizung von Gas auf Strom oder Wasserstoff umsatteln, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Für die Nutzung von Strom bräuchten wir allerdings ein eigenes Umspannwerk. Und Wasserstoff ist in „grüner“ Form nicht ausreichend verfügbar. „Grauer“ Wasserstoff kostet derzeit zehnmal mehr als Erdgas.

Bei einem so hohen Energieverbrauch trifft Sie sicher auch die Preissteigerung durch den Ukraine-Krieg. Wie bewerten Sie die aktuelle Strom- und Gaspreisbremse?

Die ist von Leuten gemacht, die nichts von Wirtschaft, speziell nicht vom Mittelstand, verstehen. Noch nie sind wir bei LÜLING bezüglich der Energiekosten so planlos in ein Jahr gestartet wie 2023. Wir fahren auf Sicht, da wir nicht wissen können, wie hoch eine staatliche Unterstützung letztlich sein wird. Gleichzeitig müssen wir Preisvereinbarungen mit unseren Kunden abschließen. Was soll ich denn den Kunden sagen? Am Ende des Jahres sollten wir nochmal sprechen? Außerdem haben die Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen dazu geführt, dass wir – mit 140 Mitarbeitern – nicht mehr zum Mittelstand gehören.

Wie bitte?

Aus Sicht von staatlichen Fördergebern, meine ich. Für die Förderungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen werden neben der Mitarbeiterzahl auch der Umsatz und die Bilanzsumme herangezogen. Beide haben sich durch die gestiegenen Rohmaterialpreise in den letzten Jahren derart erhöht, dass wir aus den einschlägigen Förderprogrammen für den klassischen Mittelstand herausfallen. Unfassbar.

Ihre Exportquote liegt bei 54 Prozent. Wie ist die Situation auf den internationalen Märkten?

Wir müssen uns einem harten Wettbewerb stellen, zum Beispiel mit den USA oder China, aber auch innerhalb von Europa. Und zwar unter ungleichen Ausgangsbedingungen. Italien und Spanien beispielsweise nutzen bereits die regenerativen Energien in der Stahlindustrie deutlich besser als Deutschland, auch wirken staatliche Subventionen wettbewerbsverzerrend. Wir müssen unbedingt sicherstellen, dass unsere Lohnstückkosten nicht weiter steigen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Die Amerikaner sagen uns momentan knallhart: Hohe Energiekosten sind euer Problem.

Spüren Sie weitere Folgen des Ukraine-Kriegs?

Wir haben nie in das heutige Kriegsgebiet geliefert. Aber die Logistik wird beispielsweise beeinträchtigt. Es fehlen schlicht LKW-Fahrer. Viele kamen früher aus der Ukraine.

Wie sehen Sie die Mobilitätswende?

Skeptisch. Das Aus des Verbrennermotors wäre in Ordnung, wenn er vom Markt gewünscht wäre. Aber das hier ist kein Markt, sondern Ordnungspolitik. Außerdem stellen wir in Deutschland nun fest: Elektrofahrzeuge bauen können die anderen Länder auch ganz gut.

Welche Folgen hat der derzeitige Fachkräftemangel für Sie?

Wir haben glücklicherweise keine hohe Fluktuation im Betrieb. Da wir seit mehr als zehn Jahren über Bedarf ausbilden, konnten wir viele Mitarbeiter, auch Führungskräfte, aus dem eigenen Bestand rekrutieren. Allerdings brauchen wir inzwischen eine strategische Personalplanung für einen viel längeren Zeitraum. Wir müssen heute Jahre in die Zukunft schauen.

Unsere Azubi-Plätze konnten wir aktuell alle besetzen. Aber die jungen Menschen brauchen mehr Betreuung als früher. Einige haben weniger Durchhaltevermögen an ihrem Arbeitsplatz.

Welche Auswirkungen hat die gesperrte Rahmede-Talbrücke auf der A45 für LÜLING?

Die Logistik wird komplizierter. Teilweise müssen wir Ladungen zusammenfassen oder können Terminzusagen nur deutlich weiter fassen als früher, und das trotz der Verpflichtung zur Just-in-Time-Anlieferung.

Welche Rolle spielt die häufig kritisierte Bürokratie für Sie?

Sie ist einfach erdrückend. Wo ist der gesunde Mittelweg? Bei LÜLING beispielsweise arbeiten wir mit Oberflächenbehandlungsanlagen. Der Zeit- und Kostenaufwand für die dafür notwendigen Genehmigungen ist enorm. Auch gibt es viele Auflagen. Beispielsweise muss ich eine sechsstellige Summe für Löschwasserbereit- und Löschwasserrückhaltung einplanen. Der Aufwand erhöht die Kosten und die Preise. Viele Kunden gehen dabei nicht mit.

Wozu führt das alles?

Deutschland steht heute im Wettbewerb mit 20 anderen führenden Wirtschaftsnationen im Ländervergleich der Wirtschaftlichkeit an drittletzter Stelle. Bis 2018 haben wir in einem ständigen Aufschwung gelebt. Seitdem läuft es nicht mehr rund. Speziell die Automobilindustrie, das Herz der deutschen Wirtschaft, schwächelt. Der Mittestand wird auf europäischer Ebene gar nicht wahrgenommen, weil es ihn in anderen Ländern so wie in Deutschland nicht gibt. Berlin und die EU reden lieber mit Großkonzernen, weil das für sie leichter ist. Wir brauchen politische Unterstützer, die verstehen, was wir leisten. Wir bilden aus. Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter. Wir sind fest in der Region verwurzelt.