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"Wirtschaftspolitik als Querschnittaufgabe verstehen"

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat im Auftrag des Märkischen Arbeitgeberverbands (MAV) in Iserlohn und des Arbeitgeberverbands (AGV) in Lüdenscheid den Märkischen Kreis wissenschaftlich untersucht. Ziel war es, relevante Standortbedingungen vor allem aus der Perspektive der M+E-Industrie zu beleuchten und zu bewerten. Dies ist Teil eines landesweiten Studienprojekts von unternehmer nrw zur Kommunalwahl 2020 in Nordrhein-Westfalen, bei dem für die Kommunen standortrelevante Indikatoren aus den Themenbereichen Wirtschaft, Arbeiten, Wohnen und Lebensqualität untersucht wurden. Für den Märkischen Kreis ergibt sich ein vielschichtiges Bild mit einigen übergeordneten Erkenntnissen, aber auch zum Teil sehr unterschiedlichen Situationen in den verschiedenen Kommunen.  

Die Studie enthält unter anderem folgende Informationen.

Rahmenbedingungen für die M+E-Industrie:

In den vergangenen Jahren wurde in acht Kommunen im Märkischen Kreis der Gewerbesteuerhebesatz erhöht. Die stärkste Erhöhung gab es dabei in Altena, wo der Hebesatz um 45 Punkte angehoben wurde. In sieben Kommunen im Kreis liegt der Hebesatz deutlich über dem Durchschnittswert in NRW. Damit sind die steuerlichen Bedingungen für Unternehmen im Märkischen Kreis größtenteils eher unattraktiv.

Finanziell gut aufgestellte Regionen sind attraktiver für Unternehmen, da diese oftmals bessere Möglichkeiten haben, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein guter Indikator zur Beurteilung der finanziellen Lage der Kommunen ist die gemeindliche Steuerkraft. Die Kommunen des Märkischen Kreises weisen größtenteils eine hohe Steuerkraft auf. Neun der 15 Kommunen können sich im NRW-Vergleich im oberen Drittel platzieren. Schalksmühle erzielt im Märkischen Kreis mit über 1.400 Euro je Einwohner die höchste Steuerkraft. Die Kommune gehört damit in NRW sogar zu den zehn Kommunen mit der höchsten Steuerkraft. Die Stadt Hemer konnte ihre Steuerkraft in den vergangenen Jahren am stärksten erhöhen. Grund dafür sind auch stark gestiegene Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Hemer hat seinen Hebesatz in den vergangenen Jahren dabei nicht erhöht.

Eine hochleistungsfähige Breitbandversorgung ist für Unternehmen häufig ein Schlüsselfaktor. In Zukunft wird die Wettbewerbsfähigkeit vieler M+E-Unternehmen auch davon abhängen, ob sie digitale Technologien implementieren können. Daher wurde in der Studie die regionale Versorgung mit Breitbandverbindungen mit mindestens 200 Mbit/s betrachtet. Nur die Stadt Lüdenscheid weist im Märkischen Kreis bei der Breitbandversorgung eine Versorgungsrate von über 90 Prozent auf. In drei Kommunen des Kreises liegt die Versorgung dagegen sogar noch bei unter zehn Prozent.

Innovationen werden immer bedeutsamer für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die vorhandene regionale Innovationskultur wichtig. Ein relevanter Indikator zur Abbildung dieser sind die Patentanmeldungen bezogen auf die ansässigen Betriebe. Die Kommunen des Märkischen Kreises sind unterschiedlich gut hinsichtlich ihrer Patentaktivität aufgestellt. Acht der 15 Kommunen erreichen im NRW-Vergleich Platzierungen im oberen Drittel, während drei Kommunen nur im unteren Drittel landen. Die Stadt Hemer kann die meisten Patentanmeldungen im Märkischen Kreis verzeichnen und gehört auch in NRW zu den zehn patentstärksten Kommunen. In Hemer sind mit Grohe und Keuco zwei Armaturenhersteller ansässig, die zu den weltweiten Marktführern in ihrem Bereich gehören. Insbesondere Grohe zeichnet sich dabei für fast alle Patente, die in Hemer angemeldet wurden, verantwortlich.

Attraktivität für M+E-Fachkräfte:

Die M+E-Industrie steht bereits seit Jahren vor der Herausforderung des Fachkräftemangels. Regionen mit einem umfangreichen Arbeitsplatzangebot sind attraktiver und ziehen in stärkerem Maße Fachkräfte an. Um die Beschäftigungssituation in einer Region beurteilen zu können, eignet sich ein Blick auf die allgemeine Arbeitsplatzversorgung – gemessen als Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen erwerbsfähigen Einwohnern. Im Märkischen Kreis ist überall eine überdurchschnittlich hohe Arbeitsplatzversorgung gegeben, wodurch sich der Großteil der Kommunen im NRW-Vergleich recht gut positionieren kann. Die Arbeitsplatzversorgung ist im Märkischen Kreis in Schalksmühle am höchsten. Die stärkste Steigerung konnte in den vergangenen Jahren dagegen Kierspe erzielen. Durch die Ausweisung von interkommunalen Gewerbegebieten mit guten Anbindungen konnte die Stadt ihr Arbeitsplatzangebot deutlich verbessern.

Die Anziehungskraft einer Region ist gut ersichtlich an einem positiven Wanderungssaldo –also an einem höheren Zuzug als Fortgang von Personen. Eine wichtige Gruppe stellt in diesem Zusammenhang die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen dar – also die Hauptgruppe der Erwerbstätigen. Im Märkischen Kreis fällt der Wanderungssaldo überwiegend positiv aus. Gleichwohl erreichen neun der 15 Kommunen im NRW-Vergleich nur Platzierungen im unteren Drittel. Die Stadt Kierspe weist im Märkischen Kreis den höchsten Wanderungssaldo bei den 30- bis 50-Jährigen auf. Zugleich konnte die Stadt den Saldo in den vergangenen Jahren auch am stärksten steigern. In Kierspe hat sich das Arbeitsplatzangebot in den letzten Jahren deutlich verbessert, was auch dazu geführt haben dürfte, dass vermehrt Menschen im Erwerbsalter in die Stadt gezogen sind.

Regionen sollen nicht nur für Arbeitskräfte attraktiv sein, sondern auch insgesamt für Menschen aller Altersklassen. Daher wird im Ranking neben der Arbeitskräftewanderung auch der gesamte Wanderungssaldo für die Kommunen betrachtet. Die Kommunen des Märkische Kreises sind vielfach von Abwanderungstendenzen betroffen. Im NRW-Vergleich kann sich der Großteil der Kommunen nur im unteren Drittel platzieren. Der Altersquotient sinkt in fast allen Kommunen im Kreis, was das allgemeingültige demografische Problem einer alternden Gesellschaft verdeutlicht.

Der vorhandene Wohnungsmarkt ist einer der wichtigsten Standortfaktoren zur Anziehung von Fachkräften. Positive Bedingungen am Wohnungsmarkt spiegeln sich unter anderem auch in der Anzahl der Baugenehmigungen relativ zur Anzahl der vorhandenen Wohnungen wider. Im Märkischen Kreis zeigt sich nur eine unterdurchschnittliche Aktivität bei der Anzahl der Baugenehmigungen. 14 der 15 Kommunen gehören im NRW-Vergleich zu den 100 schwächsten Kommunen im Land. Im Märkischen Kreis fällt nur in Neuenrade die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Durchschnittswert in NRW überdurchschnittlich aus. Die Stadt konnte die Zahl der Genehmigungen in den letzten Jahren im Kreis auch am stärksten erhöhen. In neun der 15 Kommunen hat sich die Zahl der Baugenehmigungen im gleichen Zeitraum dagegen rückläufig entwickelt.

Die Anzahl der Wohnungsneubauten ist ebenfalls ein wichtiger Indikator zur Beurteilung des regionalen Wohnungsmarktes. Auch diese werden in Relation zu den vorhandenen Wohnungen gesetzt. Bei diesem Indikator schneiden die Kommunen des Märkischen Kreises ebenfalls überwiegend schwach ab. 13 der 15 Kommunen erreichen im NRW-Vergleich nur Platzierungen im unteren Drittel. Nur in Hemer und Halver fiel die Anzahl der Neubauten höher aus als im Landesdurchschnitt.

In zunehmendem Maße ist die Beschäftigung von Frauen ein wichtiger Faktor am Arbeitsmarkt. Dabei sind gerade Regionen attraktiv, die sowohl Männern als auch Frauen ein vielfältiges Arbeitsangebot bieten. Die Beschäftigungsrate von Frauen – gemessen als Anteil der weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen weiblichen erwerbsfähigen Einwohnern – ist im Märkischen Kreis nur mäßig ausgeprägt. Zehn der 15 Kommunen landen im NRW-Vergleich im unteren Mittelfeld, wobei acht davon sogar nur im unteren Drittel liegen. Die höchste Beschäftigungsrate von Frauen kann mit rund 61 Prozent Schalksmühle vorweisen. Dies dürfte auch mit der allgemein guten Arbeitsplatzversorgung in der Kommune zusammenhängen. Gleichwohl konnten alle Kommunen im Kreis ihre Rate in den vergangenen Jahren erhöhen. Die stärkste Erhöhung hat dabei Balve mit einer Zunahme um über acht Prozentpunkte erzielen.

Forderungen vor der Kommunalwahl

MAV und AGV formulieren auf der Basis dieser Ergebnisse Forderungen an die Kandidaten der Kommunalwahl. „Wir wünschen uns eine unternehmensfreundliche, unbürokratische Verwaltung, in der Wirtschaftspolitik als Querschnittaufgabe verstanden und in entsprechende Strukturen umgesetzt wird“, sind sich MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce und AGV-Geschäftsführer Christian Lepping einig. Angesichts der vorliegenden Studienergebnisse sollten die Verantwortlichen in Kreis und Kommunen die erkennbaren Herausforderungen mit einem klaren Programm angehen. Beide Verbände wollen aber nicht nur fordern. „Wir sind bereit, an den Themen aktiv mitzuarbeiten“, so Christian Lepping und Özgür Gökce. „Und zwar unabhängig davon, wer nach der Wahl vor Ort die politische Verantwortung trägt.“

Natürlich sei die Situation je nach Kommune differenziert zu betrachten, die Verbände fordern aber aus kreisweiter, übergeordneter Perspektive:

  • Überprüfung der Gewerbesteuerhebesätze. Hohe Sätze stellen aktuell nachweisbar Wettbewerbsnachteile dar;
  • Nutzung von starker Steuerkraft zur Umsetzung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen;
  • Verbesserung der Breibandversorgung – dringend!
  • Lernen von guten Beispielen, wie erfolgreichen interkommunalen Gewerbegebieten und guten Verkehrsanbindungen;
  • Anreize zur Verbesserung der Innovationskraft;
  • gemeinsam mit der Industrie: Steigerung des Zuzugs von 30- bis 50-jährigen
    Fachkräften;
  • Attraktivitätssteigerung des Wohnungsmarktes für Fachkräfte;
  • Bekämpfung von Abwanderungs- und Alterungstendenzen – unter anderem, damit es auch morgen noch Auszubildende für die heimische Industrie gibt;
  • Erhöhung der Beschäftigungsrate von Frauen. MAV und AGV stehen für jede Art von Vermittlung in Richtung der M+E-Industrie zur Verfügung!