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"Wir sind bereit, an den Themen aktiv mitzuarbeiten“

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat im Auftrag des Märkischen Arbeitgeberverbands (MAV) den Ennepe-Ruhr-Kreis wissenschaftlich untersucht. Ziel war es, relevante Standortbedingungen vor allem aus der Perspektive der M+E-Industrie zu beleuchten und zu bewerten. Dies ist Teil eines landesweiten Studienprojekts von unternehmer nrw zur Kommunalwahl 2020 in Nordrhein-Westfalen, bei dem für die Kommunen standortrelevante Indikatoren aus den Themenbereichen Wirtschaft, Arbeiten, Wohnen und Lebensqualität untersucht wurden. Für den EN-Kreis ergibt sich ein vielschichtiges Bild mit einigen übergeordneten Erkenntnissen, aber auch zum Teil sehr unterschiedlichen Situationen in den verschiedenen Kommunen.  

Die Studie enthält unter anderem folgende Informationen.

Rahmenbedingungen für die M+E-Industrie

Im EN-Kreis sind die Gewerbesteuerhebesätze verhältnismäßig hoch. Sieben der neun Kommunen landen im NRW-Vergleich im unteren Drittel. Herdecke hat im EN-Kreis mit 535 Prozent den höchsten Hebesatz. Die Stadt hat ihren Hebesatz dabei in den vergangenen Jahren auch am stärksten erhöht – nämlich um 45 Punkte. Insgesamt haben acht der neun Kommunen im Kreis ihren Hebesatz in den vergangenen Jahren angehoben. Nur in Gevelsberg blieb der Gewerbesteuerhebesatz im gleichen Zeitraum unverändert.

Finanziell gut aufgestellte Regionen sind attraktiver für Unternehmen, da diese oftmals bessere Möglichkeiten haben, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein guter Indikator zur Beurteilung der finanziellen Lage der Kommunen ist die gemeindliche Steuerkraft. Die Kommunen des EN-Kreises schneiden hinsichtlich der Steuerkraft überwiegend gut ab. Fünf der neun Kommunen können sich im NRW-Vergleich im oberen Drittel platzieren. Ennepetal und Wetter haben im EN-Kreis die höchste Steuerkraft. Wetter konnte diese dabei in den vergangenen Jahren auch am stärksten unter allen Kommunen des Kreises erhöhen. Die Steigerungen lassen sich dabei insbesondere auch auf gestiegene Gewerbesteuereinnahmen zurückführen. Wetter konnte diese in dem betrachteten Zeitraum fast verdoppeln.

Eine hochleistungsfähige Breitbandversorgung ist für Unternehmen häufig ein Schlüsselfaktor. In Zukunft wird die Wettbewerbsfähigkeit vieler M+E-Unternehmen auch davon abhängen, ob sie digitale Technologien implementieren können. Daher wurde in der Studie die regionale Versorgung mit Breitbandverbindungen mit mindestens 200 Mbit/s betrachtet. Im EN-Kreis bestehen zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen – insbesondere auch zwischen direkt benachbarten Kommunen. Nur Herdecke erreicht im EN-Kreis eine Versorgungsrate von 90 Prozent. Dabei wurde in der Stadt insbesondere der Breitbandausbau in Gewerbegebieten vorangetrieben, damit die ansässigen Unternehmen schnelle Internetleitungen bekommen.

Innovationen werden immer bedeutsamer für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die vorhandene regionale Innovationskultur wichtig. Ein relevanter Indikator zur Abbildung dieser sind die Patentanmeldungen bezogen auf die ansässigen Betriebe. Im EN-Kreis gibt es einige innovationsstarke Kommunen. Fünf der neun Kommunen können sich im NRW-Vergleich in den Top-100 platzieren. In drei Kommunen des Kreises liegt die Zahl der Patentanmeldungen über dem Durchschnittswert in NRW. Die höchste Anzahl wird dabei in Ennepetal erzielt. In der Stadt ist unter anderem die Spax International & Co. KG ansässig, welche zur Altenloh, Brinck & Co. GmbH & Co. KG gehört. Das Unternehmen produziert die bekannten Spax-Holzschrauben. Der Verbindungsexperte entwickelt dabei stets neue, innovative Produktlösungen.

Attraktivität für M+E-Fachkräfte

Die Anziehungskraft einer Region ist gut ersichtlich an einem positiven Wanderungssaldo –also an einem höheren Zuzug als Fortgang von Personen. Eine wichtige Gruppe stellt in diesem Zusammenhang die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen dar – also die Hauptgruppe der Erwerbstätigen. Im EN-Kreis gibt es einige Unterschiede im Wanderungssaldo der 30- bis 50-Jährigen. Während drei Kommunen im NRW-Vergleich im oberen Drittel landen, erzielen drei andere Kommunen nur Platzierungen im unteren Drittel. Der Wanderungssaldo der 30- bis 50-Jährigen fällt in acht der neun Kommunen des Kreises positiv aus. Am stärksten konnte dabei Breckerfeld seinen Saldo in den vergangenen Jahren erhöhen. Der dortige Saldo fällt unter allen Kommunen des Kreises am höchsten aus. Aber auch nach Ennepetal und Herdecke sind deutlich mehr Menschen hingezogen als von dort wieder fort.

Regionen sollen nicht nur für Arbeitskräfte attraktiv sein, sondern auch insgesamt für Menschen aller Altersklassen. Daher wird im Ranking neben der Arbeitskräftewanderung auch der gesamte Wanderungssaldo für die Kommunen betrachtet. Zwischen den Kommunen des EN-Kreises bestehen teilweise große Unterschiede hinsichtlich des Wanderungssaldos. Das gilt erneut auch für direkt benachbarte Kommunen. Während der Gesamtwanderungssaldo in sieben der neun Kommunen des Kreises positiv ausfällt, sind Sprockhövel und Wetter von Abwanderungen betroffen. Die höchsten Salden können Herdecke und Schwelm erzielen. Während Schwelm in allen Altersgruppen einen Zuzug verzeichnen kann, ziehen nach Herdecke vornehmlich Menschen im Erwerbstätigenalter zwischen 30 und 50 Jahren.

Der Altersquotient – gemessen als Verhältnis der 20- bis 59-Jährigen zu den Einwohnern im Alter von 60 und älter – zeigt die Altersstruktur einer Region komprimiert an. Im EN-Kreis fällt der Altersquotient verhältnismäßig niedrig aus. Sieben der neun Kommunen können sich im NRW-Vergleich nur im unteren Drittel platzieren. Der Altersquotient liegt in allen Kommunen des Kreises unterhalb des Durchschnittswertes in NRW. Fast alle Kommunen (außer Schwelm und Witten) waren dabei in der Vergangenheit auch von Abwanderungstendenzen bei der jüngeren Bevölkerungsgruppe (18-25 Jahre) betroffen, was das Problem einer alternden Bevölkerung in den Kommunen noch weiter verschärfen dürfte.

Der vorhandene Wohnungsmarkt ist einer der wichtigsten Standortfaktoren zur Anziehung von Fachkräften. Positive Bedingungen am Wohnungsmarkt spiegeln sich unter anderem auch in der Anzahl der Baugenehmigungen relativ zur Anzahl der vorhandenen Wohnungen wider. Die Zahl der Baugenehmigungen fällt im EN-Kreis verhältnismäßig gering aus. Sechs der neun Kommunen des Kreises können sich im Vergleich zu allen Kommunen in NRW nur im unteren Drittel der Verteilung platzieren. Die Zahl der Baugenehmigungen fällt in fast allen Kommunen des Kreises unterdurchschnittlich aus. Nur in Sprockhövel liegt sie knapp über dem NRW-Durchschnitt. Hattingen konnte dabei die Zahl der Genehmigungen in den vergangenen Jahren am stärksten erhöhen.

Die Anzahl der Wohnungsneubauten ist ebenfalls ein wichtiger Indikator zur Beurteilung des regionalen Wohnungsmarktes. Auch diese werden in Relation zu den vorhandenen Wohnungen gesetzt. Insgesamt können sich die Kommunen des EN-Kreises bei diesem Indikator lediglich im unteren Mittelfeld platzieren. Nur eine Kommune kann im NRW-Vergleich eine Platzierung in den Top-100 erreichen. Die Zahl der Wohnungsneubauten fällt in fast allen Kommunen des Kreises unterdurchschnittlich aus. Nur in Herdecke wurden überdurchschnittlich viele neue Wohnungen gebaut. Die Stadt konnte die Zahl der Neubauten dabei in der Vergangenheit auch deutlich erhöhen.

In zunehmendem Maße ist die Beschäftigung von Frauen ein wichtiger Faktor am Arbeitsmarkt. Dabei sind gerade Regionen attraktiv, die sowohl Männern als auch Frauen ein vielfältiges Arbeitsangebot bieten. Die Beschäftigungsrate von Frauen – gemessen als Anteil der weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen weiblichen erwerbsfähigen Einwohnern – ist im EN-Kreis verhältnismäßig gut ausgeprägt. Sechs der neun Kommunen können sich im NRW-Vergleich im oberen Mittelfeld platzieren. Die höchsten Beschäftigungsraten von Frauen werden in Herdecke und Sprockhövel mit rund 59 Prozent erreicht.

Forderungen vor der Kommunalwahl

Der MAV formuliert auf der Basis dieser Ergebnisse Forderungen an die Kandidaten der Kommunalwahl. „Wir wünschen uns eine unternehmensfreundliche, unbürokratische Verwaltung, in der Wirtschaftspolitik als Querschnittsaufgabe verstanden und in entsprechende Strukturen umgesetzt wird“, sagt MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce. Angesichts der vorliegenden Studienergebnisse sollten die Verantwortlichen in Kreis und Kommunen die erkennbaren Herausforderungen mit einem klaren Programm angehen. Der Verband wolle aber nicht nur fordern. „Wir sind bereit, an den Themen aktiv mitzuarbeiten“, so Gökce. „Und zwar unabhängig davon, wer nach der Wahl vor Ort die politische Verantwortung trägt.“

Natürlich sei die Situation je nach Kommune differenziert zu betrachten, der MAV fordert aber aus kreisweiter, übergeordneter Perspektive:

  • Überprüfung der Gewerbesteuerhebesätze. Hohe Sätze stellen Wettbewerbsnachteile dar;
  • Nutzung von starker Steuerkraft zur Umsetzung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen;
  • flächendeckende Verbesserung der Breibandversorgung;
  • Wertschätzung und weiterer Ausbau der regionalen Innovationskraft;
  • Steigerung des Zuzugs von potenziellen Arbeitnehmern im gesamten Kreis;
  • Bekämpfung von Abwanderungs- und Alterungstendenzen – unter anderem, damit es auch morgen noch Auszubildende für die heimische Industrie gibt;
  • Attraktivitätssteigerung des Wohnungsmarktes für Fachkräfte;
  • weiterhin Engagement für die Beschäftigung von Frauen. Der MAV steht für jede Art von Vermittlung in Richtung der M+E-Industrie zur Verfügung!